RADIKALE THERAPIE
Was ist Radikale Therapie
Radikale Therapie ist eine Form von selbstorganisierter Gruppentherapie.
Die ersten RT Gruppen wurden 1975 in den Niederlanden von Gail Pheterson und Lilliam Moed gegründet und nannten sich Feministische Übungsgruppen Radikale Therapie (Feminist Oefengroepen Radicale Therapy).
Gail Pheterson verband damit Ansätze von der Radical Psychiatry (RP) und dem Co-Counselling (CC). Gemeinsam mit Lilliam Moed hat sie innerhalb der politisch aktiven, feministischen Bewegung im Rahmen von mehrtägigen Workshops ein neues Konzept der Gruppentherapie in Selbsthilfe verbreitet. Die Workshops waren so konzipiert, dass die teilnehmenden Personen danach mindestens ein Jahr lang ohne professionelle Therapeut*in arbeiteten und die Gruppenmitglieder die Leitung rotierend übernehmen.
Mit RT wurde damit ein Selbsthilfe-Therapie-Konzept geschaffen, das darauf ausgerichtet ist, die aktive Selbstheilung anzuregen, zu fördern, verinnerlichte Unterdrückung wahrzunehmen und zu verringern. Gleichzeitig bietet dieses Konzept die Möglichkeit, sich gegenseitig bei diesen Prozessen zu unterstützen.
Aktuelles
RT Infoveranstaltungen Eine Infoveranstaltung dauert ca. 4 Stunden. Dort werden wir etwas zu RT erzählen und ihr werdet auch schon ein paar Elemente von RT ausprobieren. Weitere Informationen bekommt ihr nach der Anmeldung. Bei Interesse und Fragen könnt ihr euch gern an uns wenden: hallo[at]radikale-therapie-allgender[dot]de Infoabende Bremen allgender RT / queer / 12.12.24 / 18:00 - 21:30 / Lüneburg F*oRT / 10.11.24 / 11:00 - 15:00 / *** Gruppen in Planung Rostock hier wird gerade eine neue allgender RT Gruppe geplant / Frankfurt am Main hier wird gerade eine neue allgender RT Gruppe geplant / |
Grundlagen von RT
Die Theorie und Techniken von Radikaler Therapie sind der Radical Psychiatry, der Transaktionsanalyse und dem Co-Counseling entnommen. Alle drei oben genannten Theorien und Praxen ordnen sich dem Ansatz der Humanistischen Psychologie zu. Während der Gruppentreffen kommen verschiedene Methoden aus obengenannten Ansätzen zum Einsatz.
Nach dem Menschenbild von RT sind alle Personen wenn sie zur Welt kommen, liebevolle, kreative, konstruktive Wesen voller Vertrauen und Lebensfreude. Sie haben die Fähigkeit zu lieben, zu denken, sich mit ihrem Körper und ihren Emotionen zu verbinden - und damit sind sie selbst in der Lage die eigenen Konflikte zu lösen und sich zu heilen. Es bedarf dafür jedoch der Zuwendung und Unterstützung anderer.
Im Laufe unseres Heranwachsens und auch im gegenwärtigen Leben wird vieles von diesem Potential verschüttet. Wir haben häufig verlernt uns zu spüren, unsere Fähigkeiten zu zeigen und wertzuschätzen, für unsere Bedürfnisse einzustehen. Gebote/Verbote, Sanktionen und gesellschaftliche Normen werden uns häufig durch erwachsenen Bezugspersonen und andere gesellschaftliche Vertreter*innen vermittelt. Dies kann dazu führen, dass wir Unterdrückungsverhältnisse verinnerlichen.
Das Wort "Radikal" bei RT meint in diesem Zusammenhang die ursprüngliche Bedeutung des Wortes: "Wurzel". Hierbei soll betont werden, dass „psychische Probleme“ ihre Wurzel in gesellschaftlichen Verhältnissen und (verinnerlichter) Unterdrückung haben. Mit Hilfe der Radikalen Therapie können wir diese Wurzeln ansehen, den gesellschaftlichen Ursprung von mangelnder Selbstwertschätzung, einengenden Verhaltensmechanismen, verinnerlichter Unterdrückung und wiederkehrenden Konflikten aufspüren und Schritt für Schritt unsere uneingeschränkte Lebensenergie und Intelligenz wiedergewinnen, sowie uns mit anderen verbinden um gemeinsam an gesellschaftlichen Veränderungen zu arbeiten. Und "Radikal" meint auch, dass wir unseren Heilungsprozess selbst in die Hand nehmen, uns nicht auf Therapeut*innen verlassen, sondern uns selbst als Expert*in des eigenen Lebens und unserer Entwicklung ansehen.
Bei RT können wir wahrnehmen, welche Auswirkungen tatsächliche und verinnerlichte Unterdrückung für uns hat. Dem setzen wir entgegen:
- Kooperation: uns mit anderen solidarisch zu verbinden
- für uns und unsere Bedürfnisse und Interessen einstehen
- Unterstützung bekommen und geben
- Beziehungen zu anderen Menschen transparent und ehrlich gestalten
- Verantwortung für die eigene Veränderung zu übernehmen
- uns und andere wertzuschätzen
- eigene Gefühle wahrnehmen und ihnen Raum zu geben
- unser Potential wieder freier entfalten
Geschlecht*
Geschlecht* ist bis heute ein grundlegendes Strukturmerkmal von RT Gruppen, welches seinen historischen Ursprung in der Frauen*bewegung hat, welche damals „Zweigeschlechtlichkeit“ als „natürliche“ Tatsache ansah. F*oRT (Frauen* organisieren Radikale Therapie) ist aus den feministischen Bewegungen der 70ger Jahre in Kalifornien und den 80ger Jahren in den Niederlanden und Deutschland entstanden.
Die Trennung nach Geschlecht*ern sollte einen Schutzraum vor Sexismus schaffen und bestimmte Verhaltensmuster in Männer* - Frauen* Beziehungen unterbrechen. Deshalb wird bis heute noch oft in geschlechter*getrennten Gruppen gearbeitet. Die zu Grunde liegende Annahme ist, dass Menschen sich in geschlechtshomogenen Gruppen zunächst leichter öffnen und einlassen können. Gleichzeitig soll den unterschiedlichen Sozialisationen, Diskriminierungserfahrungen, Rollenzuschreibungen und der Machtungleichheit Rechnung getragen werden. "No teaching" ist dabei ein weiterer wichtiger Aspekt.
In den geschlechtsgetrennten Gruppen wird mit leicht abweichenden Strukturen gearbeitet, mit dem Ziel sozialisationsbedingte Muster zu erkennen und eine verstärkte Arbeit daran zu ermöglichen.
Gleichzeitig vernachlässigte die RT Bewegung andere Strukturmerkmale und Diskriminierungserfahrungen. Während es bei den "problem solving groups" der Radikal Psychiatry auch Gruppen von z.B. Arbeiter*innen oder POC gab, ist dies nicht bei RT angekommen. Inzwischen gibt es aber einige erfahrene RT Personen, welche zu diesen Themen Radikale Therapie weiterentwickeln wollen.
Haltung bei RT
Während der gegenseitigen Begleitung unserer eigenen therapeutischen Prozesse üben wir zunehmend eine unterstützende Haltung uns selbst gegenüber und gegenüber der anderen Personen ein.
- Wir begegnen uns in der Haltung, dass sowohl wir selbst als auch die anderen Personen „Okay“ sind. Das bedeutet nicht, dass ich alles gut finden muss, was eine Person sagt oder macht. Aber ich erkenne sie grundsätzlich als wertvollen Menschen an (Ich bin Okay - Du bist Okay).
- Wir gehen davon aus, dass jede Person die Expert*in für das eigene Leben, die eigene Themen und deren Lösungen ist und diese in genau der Geschwindigkeit bearbeitet, wie es gut für sie ist.
- Dies bedeutet auch, dass jede Person für sich, ihre Bedürfnisse und ihre Entwicklung selbst verantwortlich ist. Bei RT besteht die explizite Erlaubnis, für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse einzustehen und zu sorgen. (Eigenverantwortung).
- Gleichzeitig findet ein ständiger Wechsel von geben und nehmen statt.
- Wir geben keine Ratschläge, bewerten die anderen Personen nicht, wollen die anderen Personen nicht verändern, diskutieren nicht über Bedürfnisse oder wenden andere Formen von Gewalt an (keine Gewalt).
- Mit der Praxis in RT Gruppen wollen wir gewährleisten, dass alle Personen die gleichen Rechte haben und jede Person und ihre Bedürfnisse gleich wichtig sind (Gleichberechtigung).
- Der gemeinsame Gruppenstart soll allen Personen das gleiche Wissen über RT und die Praxis vermitteln (keine Wissenden und Unwissenden)
- Über die Inhalte und Prozesse der anderen Personen in der Gruppe erzählen wir nichts nach außen (Schweigepflicht).
- Wir kommen in einem Zustand zu den Treffen, in dem wir unsere Körperreaktionen und unsere Grenzen differenziert wahrnehmen (keine Drogen oder andere Substanzen, die unsere Körperwahrnehmungen verändern).
- Wir machen miteinander verbindliche und transparente Vereinbarungen. So z.B. über die Teilnahme von einem Jahr und regelmäßiges und pünktliches Kommen.
Wie funktioniert RT?
In RT Gruppen treffen neun bis zwölf, oft sehr unterschiedliche Personen aufeinander, um miteinander RT zu praktizieren. Die Treffen finden wöchentlich für mindestens ein Jahr statt und werden immer von zwei Personen aus der Gruppe geleitet. Bei diesen Treffen unterstützen sich die Personen gegenseitig in der Bearbeitung der eigenen therapeutischen Prozesse.
Die Themen sind vielfältig, häufig geht es um zwischenmenschliche Konflikte, Beziehungen, Probleme im Alltag, Unzufriedenheit mit der Lebenssituation sowie den dahinter liegenden Mustern und Verletzungen. Gleichzeitig gibt es viel Raum für freudvolles Erleben, sich selbst und andere wertzuschätzen, eigene Gefühle wahrzunehmen, sich zu stärken aber auch Lust auf Kontakt mit anderen Personen.
RT ist unter anderen durch ein hohes Maß an Verbindlichkeit gekennzeichnet. Das beginnt schon mit der Teilnahme an der Startphase und bleibt währed der gesamten Gruppenzeit bestehen. Jede Person kommt wöchentlich zu den RT Sitzungen, außer sie ist im Urlaub, krank oder hat unverschiebbare Arbeitstermine (Care/Einkommen). Die soll gewährleisten, dass die Gruppe stabil ist und jede Person sich auf die Unterstützung ihres eigenen Prozesses verlassen kann.
Jede Sitzung von RT hat eine Grundstruktur mit folgenden Elementen als festen Bestandteil. Auf der anderen Seite ist die therapeutische Arbeit jeder Person sehr eigenständig, einschließlich ihres Urteils darüber, was sie in ihrem Leben ändern möchte.
BLITZLICHT
Ich teile mit der Gruppe wie ich gerade hier bin.
GUTES UND NEUES
Um aufmerksam für das Positive in ihrem Leben zu werden, wendet sich jede Person dem guten und neuen Dingen in ihrem Leben zu.
GESPINSTE-RUNDE
In dieser Runde werden Phantasien bezüglich anderer Personen in der Gruppe offengelegt. Die betreffende Person bestätigt oder verneint diese Phantasien
ARBEITSZEITEN
In ihrer Arbeitszeit kann jede Person ihre Themen auf ihre Weise bearbeiten. Sie wählt sich dabei eine andere Teilnehmer*in zu ihrer Unterstützung und hat bei ihrer Arbeit die volle Aufmerksamkeit der Gruppe.
GROLL-RUNDE
Unangenehme Gefühle wie z. B. Ärger, Wut, Unsicherheiten, die durch andere Personen in der Gruppe ausgelöst werden, können bewusst gemacht, ausgesprochen und entlastet werden.
SCHMUSE-RUNDE
In dieser Runde kann jede Person sich und anderen Personen in der Gruppe Anerkennung geben, bekommen, ablehnen und sich wünschen.
Den Raum zwischen diesen Elementen kann die Gruppe nach eigenen Wünschen mit Körperarbeit, Tanzen, Spiele, Singen, Phantasiereisen, Massagen und neue Ideen gestalten.
RT ist nicht geeignet für Personen, die nicht in der Lage sind, an einem derartigen Gruppenprozess teilzunehmen.
Der Weg in eine RT Gruppe
In einigen Städten finden ziemlich regelmäßig Infoabende zur Radikalen Therapie statt, in anderen Städten und Regionen nur nach Bedarf.
Wenn Du an RT interessiert bist, kannst du Kontakt mit uns aufnehmen und wir laden dich dann zu dem nächsten (drei - vierstündigen) Infoabend ein. Diese Infoabende werden von zwei bis drei erfahrenen RT Personen durchgeführt.
Falls es in deiner Stadt/Region keine regelmäßigen Infoabende gibt, unterstützen wir dich sehr gern darin, Infoabende zu organisieren.
Nachdem du auf einem Infoabend warst und weiterhin an RT interessiert bist, kannst du dich für einen Gruppenstart anmelden. Bei der Anmeldung kannst du auch Wünsche über die Gruppenzusammensetzung äußern (z.B. FLTI, allgender,...).
Wenn sich 14 Personen verbindlich angemeldet haben, organisieren wir einen Gruppenstart. Der Start findet an zwei Wochenenden im Abstand von sechs bis acht Wochen statt (Freitagnachmittag bis Sonntagabend) und wird von zwei bis drei erfahrenen RT Personen angeleitet. Dazwischen trifft sich die neue Gruppe wöchentlich ohne das Anleitungsteam.
Beim Gruppenstart werden Techniken weitergegeben, die entsprechende Theorie vermittelt, wird geübt und an gruppendynamischen Prozessen gearbeitet. So kann jede Person während der Startphase überprüfen, ob RT etwas für sie ist.
Die Teilnahme an beiden Wochenenden und den Treffen dazwischen ist für jede Person die Voraussetzung, um an der neuen RT-Gruppe teilzunehmen. RT ist selbst-organisiert, es gibt keine Therapeut*in oder Expert*in, die die Sitzungen führt. Daher ist es wichtig, dass alle die selben Werkzeuge und dasselbe Wissen bekommen.
Am Ende vom zweiten Wochenende entscheidet dann jede teilnehmende Person für sich, ob sie Teil der neuen RT Gruppe für ein Jahr sein will. Diese RT Gruppe trifft sich dann mindestens ein Jahr lang jede Woche für 3 - 4 Stunden (je nach Gruppengröße). Wenn sich mindestens neun Personen für die Teilnahme entscheiden, ist die neue Gruppe entstanden. Du kannst nicht ohne Start zu einer bestehenden Gruppe dazustoßen.
RT ist nach dem Selbsthilfegedanken kostenlos und wird bis auf eine Unkostenumlage auch kostenlos weitergegeben.
Kontakt
Du kannst uns eine E-Mail schreiben, wenn Du Interesse an Radikaler Therapie hast:
hallo[at]radikale-therapie-allgender[dot]de
rt-allgender[at]riseup[dot]net
Weiterführende Informationen zur Radikalen Therapie
Kontakt zu anderen Orga-Crews
F*oRT Website der Orga-Crew von F*oRT (Frauen* organisieren Radikale Therapie) mit Kontaktmöglichkeiten und Terminen von Infoabenden.
M*RT Website der Orga-Crew von M*RT (Männer* Radikale Therapie) mit Kontaktmöglichkeiten und Terminen von Infoabenden.
Bundesdeutsche Vernetzungsseite für M*RT
Trans*, Inter*, non - binary, Queer - RT Website der Orga-Crew von Tinbq - RT Gruppen mit Kontaktmöglichkeiten und Terminen von Infoabenden. Die Orga-Crew organisiert RT-Gruppen für Trans*, Inter*, non-binary, Queer - RT Gruppen.
RT - Events
- Jedes Jahr zu Ostern findet eine überregionales RT-Treffen, das "RT-Ostertreffen" statt
- Jedes Jahr zu Himmelfahrt gibt es ein überregionales M*RT-Treffen. Bei Interesse melde Dich unter: MRT-Lomitz-Orga[at]radikale-therapie[dot]de
- Im Sommer und im Winter findet ein überregionales Queer-Linkes RT-Treffen statt. Bei Interesse melde Dich unter: queer[at]fort-frauen[dot]de
Artikel zur Radikalen Therapie
- Artikel über Radikale Therapie und Politik in der arranca!
- Artikel über Radikale Therapie und Radical Psychiatry
- Artikel über RT in der Zeitschrift für Transaktionsanalyse
- Artikel zur Radikalen Therapie in der "Oya"
- Artikel im "Kommunebuch" zur radikalen Therapie
- Artikel von Gail Pheterson über die ersten FoRT Gruppen in den Niederlanden
- Artikel aus dem Handbuch M*ännerarbeit zu M*RT
- Wikipedia-Artikel zu M*RT
Website zur Radikalen Therapie
Informationen zu Hintergründen von Radikaler Therapie, Transaktionsanalyse, Co-Counseln und Radical Psychiatry mit einer ausführlichen Literaturliste und einem Downloadbereich.
über uns
Diese RT-Crew besteht aus Personen, die in einem losen Zusammenhang RT jenseits der Grenzen von F*oRT / M*RT verbreiten möchten. Wir finden es spannend, RT auch in Hinblick auf andere soziale Positionierungen zu denken, Angebote dafür zu entwickeln und Konzepte zu erarbeiten.
Wir organsieren bundesweit Infoabende zu Radikaler Therapie, beantworten Anfragen, koordinieren Start-Interessierte und suchen erfahrene Anleiter*innen für den Start von neuen Gruppen.
Wir schreiben natürlich nicht im Namen der ganzen RT oder RT Szene. RT hat viele Perspektiven und Standpunkte, viele unterschiedliche Generationen, (politische) Sozialisationen und Standpunkte, lokal geprägte Kulturen...